Es gibt Aufträge, die bleiben einem in Erinnerung. Die noch lange nach Fertigstellung nachklingen. Aufträge, die emotional berühren. Das müssen nicht immer Übersetzungen von schnulzigen Liebesromanen ohne glücklichen Ausgang sein. Die Untertitelung urkomischer Dialoge eines Hollywood-Films. Oder die Übertragung aufwühlender Berichte aus der Rechtsmedizin. Das funktioniert auch bei Betriebsanleitungen und technischen Dokumenten. Insbesondere dann, wenn der Inhalt zwar korrekt übersetzt ist, die Formulierungen aber unglücklich ausgefallen sind.

So lag mir vor einiger Zeit ein Text zur Korrektur vor, der auf die Gefahren beim Arbeiten mit Motorsägen hinwies. Was ich als Alltagsauftrag annahm, entpuppte sich zur Komödie. Beim Lesen der Sicherheitsmaßnahmen musste ich oft schmunzeln. Das Korrekturlesen gestaltete sich zwar aufwendig, dennoch habe ich mit den ungeschickten Übersetzungen einen recht vergnüglichen Arbeitstag verbracht.

Lachtränen beim Lesen von Betriebsanleitungen sind in der Regel nicht im Sinne des Unternehmens. Gefahren- und Sicherheitshinweise in technischen Dokumentationen sind am hilfreichsten, wenn sie sachlich präzise, aktuell, vollständig, logisch – und vor allem eindeutig und unmissverständlich sind.

Hier ist die sprachliche Form allerdings zu schief geraten:

Unerfahrene Motorsägenbediener sollten keine Bäume fällen.

Das Gesagte ist klar: Die Handhabung der Motorsäge ist nur qualifizierten Arbeitern gestattet. Das hätte man auch so formulieren können. Aber dann wäre ein zutiefst philosophischer Gedanke verloren gegangen. Oder ein passender Spruch für den nächsten Werbekalender.

Gefahrenhinweis: Es ist unmöglich, alle Situationen zu beschreiben, die beim Gebrauch der Kettensäge auftreten könnten.

Niemand kann vorherbestimmen, welche spezifischen Gefahren eines Tages eintreten werden. Und nicht jeder technische Redakteur besitzt eine Kristallkugel. Außerdem: Warum alle Situationen haarklein wiedergeben? Warum nicht das Kopfkino des Lesers laufen lassen? Ein Hinweis wie dieser regt die Fantasie an. Lässt Spielraum für kreative Horrorszenarien und Kettensägenmassaker. Spart obendrein viel Papier und hält das Handbuch schlank.

Die zwingend vorgeschriebene Arbeitshaltung gibt an, wie der Arbeiter die Motorsäge mit beiden Händen halten könnte.

Nur nicht zu streng mit den Mitarbeitern sein und sie durch zu viele Vorschriften demotivieren. Für Leib und Leben wäre es natürlich günstiger, wenn der Arbeiter sich an die Vorgaben des Arbeitsschutzes halten würde. Aber wo bleibt dann der Spaßfaktor? Darüber hinaus bietet diese Aussage viel Gesprächsstoff in der Mittagspause. Bei Wurstbrot und Bier lässt es sich leidenschaftlich diskutieren, wie die Säge zu halten ist.

Die Mehrzahl der Unfälle mit Kettensägen passiert, wenn die Säge den Anwender trifft.

Inhaltlich auf den Punkt gebracht. Bei Körperkontakt mit einer laufenden Kettensäge ist ruckzuck ein Arm ab. Die Übersetzung mit „Bei Kontakt mit der Motorsäge treten schwerste Verletzungen auf“ hätte auch seinen Zweck erfüllt. Aber ich finde, die bildhafte Variante bleibt besser im Gedächtnis haften. Kurz und knackig ist auch prima. Zum Beispiel: „Je mehr Kette, desto ratsch“. Wer es in der technischen Anleitung dann doch lieber nüchtern mag, formuliert den Hinweis wie vorgeschlagen.

Wenn Sie im Arbeitsbereich liegen bleiben, erhöht sich die Stolpergefahr.

Eine folgerichtige Konsequenz aus dem Gefahrenhinweis direkt darüber. Das Risiko des Stolperns erhöht sich im Übrigen proportional zu Körpergröße und -gewicht. Spezifische Angaben des Gefährdungspotenzials in Prozent sind nicht notwendig, denn die Gefahr ist so oder so da. Also rollen Sie bitteschön dezent und unauffällig zur Seite! Erstaunlich, wie ein so kleiner Sie/sie-Fehler so großen Interpretationsspielraum bietet.

Tipps zur Übersetzung von Gefahrenhinweisen:

Streichen Sie Konjunktiv und modale Hilfsverben. Statt „…wie der Arbeiter die Motorsäge halten könnte“ schreiben Sie besser „wie der Arbeiter die Motorsäge halten muss“. Führen Sie in der Dokumentation einen Suchlauf nach können/könnte, hätte, dürfte, würde, möchte und nach Floskeln wie quasi, eigentlich, vielleicht, irgendwie usw. durch. Überprüfen Sie, ob diese spezifischen Begriffe im Gefahrenhinweis gestrichen werden können.

Bleiben Sie konkret. Sicherheitshinweise beziehen sich auf notwendige Schulungen und Qualifizierungen für eine Tätigkeit. Der Gebrauch von „Unerfahrene sollten keine Bäume fällen“ ist sehr nebulös. Es wird nicht klar, wer nun die Säge bedienen darf. Eine Formulierung wie „Die Handhabung der Motorsäge ist nur Arbeitern mit der Qualifizierung X gestattet“ hingegen ist viel greifbarer.

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